Das Fesseln oder Spiel mit Seil ist eine uralte menschliche Faszination. Seitdem die Menschen Seile aus Fasern hergestellt haben, haben Sie damit auch Dinge verbunden. Geben wir heute Kindergartenkindern Seile in die Hand, so werden diese nach kürzester Zeit versuchen, sich gegenseitig damit festzubinden oder sich selbst zu fesseln. Die ausgeübte Macht und die Einschränkung der Beweglichkeit übt eine große Faszination auf die meisten Menschen aus.
Ich habe auch die Vermutung, dass uns das gefesselt werden an die Zeit im Mutterleib erinnert - ein warmes, vertrauensvolles Gefühl des Gehaltenwerdens. Die Seile sind wie eine zweite Haut - und lassen uns als moderne Menschen, die wir immer mehr den Kontakt mit unserem Körper verlieren- wieder eins werden.
Beim Fesseln herrscht ein anderer Kodex als im Alltag - hier muss sich jeder voll auf den anderen verlassen, es gibt einen Austausch voller Achtsamkeit und Fokussiertheit. Durch die Intimität des Fesselns verbindet sich der Geist des:der Fesslers:in mit dem:der Gefesselten und kommt ebenso zur Ruhe- durch bloße Betrachtung und Aufmerksamkeit.
Im Folgenden eine kleine Auflistung weiterer Möglichkeiten, was Menschen beim fesseln oder gefesselt werden suchen:
- Das angenehm warme, manchmal raue oder auch harte Gefühl der Seile auf der Haut
- Ausgeliefertsein
- Vertrauen spüren gegenüber dem:der Partner:in
- Die Kontrolle abgeben. Einmal für nichts mehr verantwortlich sein.
- Nur noch Atmen können. Alles andere ist unwichtig.
- Ganz bei sich selbst sein: Einmal gibt es keine andere Handlungsmöglichkeit als im Moment zu sein
- die veränderte Körperwahrnehmung
- die Schönheit und Ästhetik der verschiedenen Fesselungen
- das Ausüben von Macht (als Fessler:in)
- Manche Menschen lieben auch schmerzhafte Fesselungen. Diese läutern und fokussieren den Geist
- Das erreichen von Trancezuständen (z.B. durch Endorophinausschüttungen)
- Das Fesseln an sich kann ein bewegender Akt voller Energie und Kommunikation sein
- Schweben in den Seilen
- ...
Für mich ist das Fesseln und gefesselt werden eine grundpositive Aktivität. Jeder Mensch setzt das Fesseln ein bisschen anders ein - der eine liebt das Machtgefälle, will Nacktheit, Hingabe und zelebriertes Leiden (wie im BDSM). Der Nächste begegnet seinem:r Fesselpartner:in auf einer rein freundschaftlichen Ebene, liebt die Trance und das Schweben. Es gibt Menschen, die fesseln sich selbst oder hängen sich selber in den Seilen auf und sehen das als eleganten Tanz, wie Poledance oder Ballett. Es gibt Menschen, die könenn nur durch Seile zur Ruhe kommen - sie können für gefühlte Ewigkeiten in den unmöglichsten Positionen verweilen (manche schlafen sogar darin) und sind einfach nur glücklich dabei. Ich habe Paare, die Bondage auf einem spaßigen Level miteinander praktizieren, ohne jegliche sexuelle Konnotation. Wieder Andere brauchen die Herausforderung und betreiben das Fesseln wie einen Sport mit immer höheren und komplizierteren Zielen. Manchen geht es vielleicht nur um ein gutes Foto oder sie sehen Bondage wie Bungee Jumping - einmal den Kick abholen.
Ich kenne Menschen, die möchten einfach nur Seile auf der Haut spüren, um ihren eigenen Körper wahrnehmen zu können. Sie tragen die Fesselungen wie Kleidungsstücke. Es gibt Fessler:innen, die lieben das Kreieren neuer Fesselungen und wieder andere, die sich selbst durch den Akt des Fesselns ausdrücken können.
Am Ende sind es einfach nur eine Hand voll Techniken, jede Menge Seile, zwei Köpfe und ein Moment, der entscheidet, was passt, fließt, gewollt oder gekonnt wird. Jeder kann somit die für sich richtige Zugangsweise zu den Seilen finden - egal ob aktiv oder passiv. Jedes Fesselteam ist unterschiedlich - vielleicht auch jede neue Begegnung.
In meinen Trainings erfrage ich immer zuerst, was mögliche Motivationen oder Ziele sein können, welche Vorerfahrungen gemacht wurden oder ob es konkrete Wünsche gibt. Ich lade jeden ein, das Fesseln und gefesselt werden für sich auszuprobieren.
Eine kleine Auswahl an möglichen Herangehensweisen. Diese können willkürlich gemischt und erweitert werden:
- Basic & Grundlagen
- Hängebondage
- Speed-Bondage & schnelle Einseiltechniken (Ippon Nawa, Begrüßungsformen)
- Bondage für Sex (häufig gewünscht)
- Bondage für BDSM (Spiel mit Erniedrigung, Schmerz, Hingabe, Bestrafung, Spanking, etc.)
- Semenawa (jap. Zeme= Folter, Nawa= Seil. Techniken, welche die Produktion von Endorphinen= Glückshormonen anregen. Verursacht starke High-Zustände, ähnlich einer positiven Drogenerfahrung. Nicht für jede:n geeignet).
- Bondage für Trance
- Kreativ- Flow (Freistil, Seilführung, Mindset)
- Selfbondage & Selfsuspension
- Show-Fesseln / Bondage für Performances
- Fesseltechniken für Fotoshootings & Kleidungsstücke aus Seilen
- Einfache Techniken/ Dekobondage (oft auch mit Baumwollseilen. Nur sehr leichte Fixierungen möglich)
- Haarbondage/ Gesichtsbondage / Fingerbondage (aufgrund der zahlreichen Nervenenden an Kopfhaut, Gesicht und Handflächen kann dies starke Trancezustände hervorrufen)
- ....uvm.