Warum eigentlich Seil?
Jemanden in einem einvernehmlichen Spiel bewegungsunfähig zu machen ist mit vielen Materialien möglich (z.B. Latex, Ketten, Leder, Folie, Käfig). Es gibt aber ein paar Gründe, die klar für Seil als das Mittel der Wahl sprechen. Hier eine Auswahl:
- Vielseitigkeit und Flexibilität
- Verstellbarkeit und Anpassung an verschiedene körperliche und räumliche Gegebenheiten
- Schönheit und Ästhetik der Fesselungen. Vereinbarkeit mit kreativem Selbstausdruck
- Möglichkeit zur Hängung und somit u.a. totale Wehrlosigkeit
- Induktion von Trancen durch den sinnlich- aufladenden Vorgang des Fesselns, aber auch durch die erzwungene und dennoch freiwillige ‚Aufgabe‘ des Körpers in Hängungen
- Schlichtheit und Reduzierung sowie vergleichsweise günstiges Material (man benötigt nichts weiter als Seile und einen Notöffner, vielleicht noch einen Hängepunkt und Karabiner)
- Traditionelle Verwendung, zumindest in Japan seit Jahrhunderten
- Geistesschulung des:der Fesslers:in durch angeregtes Denken, trainierte Vorstellungskraft, Konzentration, Achtsamkeit, Empathie, Meditation/Flow, Entspannung
- Das Verbindende der Seile: Jemanden zu fesseln schafft Vertrauen – mehr als jedes andere Material gibt es hier auch eine geistige Verbindung über das Seil. („Wie mit einer Nabelschnur verbunden“).
- uvm...
Die verschiedenen Seilarten
Es gibt verschiedene Arten von Seilen - nicht alle sind aber für jeden Einsatz gemacht. Im Folgenden gebe ich dir eine kleine Übersicht über die gängigsten Seilarten:
1. Baumwollseile
Beschreibung: Diese sind die wohl die am häufigsten vorkommenen Fesselseile. Sie sind sehr weich, anschmiegsam und dehnbar. Fälschlicherweise gehen viele davon aus, dass ein weiches Seil auch in der Fesselung angenehm und weich ist. Dies ist bei dehnbaren Seilen jedoch nie der Fall: Sie schneiden sich unter Zugbelastung extrem in die Haut ein und ziehen sich zu. Somit können sie sich schmerzhafter auf der Haut anfühlen, als die harten Jute- oder Hanfseile. Knoten und Webungen werden somit extrem eng und sind nur noch schwer zu öffnen. Hier wird viel häufiger dann ein Schneidewerkzeug gebraucht, als bei Jute- oder Hanfseilen. Es ist also Vorsicht bei reinen Baumwollseilen geboten. Zudem saugen Baumwollseile jeglichen Staub und Dreck aus der Umgebung auf (Saugfaser).
Technisches: Baumwollseile werden aus den Samenkapselfasern der Baumwollpflanze gewonnen. Sie sind sehr kurz, weich und dehnbar. Im Vergleich zu Jute oder Hanf, welche zu den Pflanzenstängelfasern gehören, wird schnell klar, dass man diesem Seil nicht allzu viel zumuten sollte. Ein Baumwollseil von 5mm Durchmesser hält um die 80 daN (das sind 80 Kg) Zugbelastung aus, dies reicht für eine Hängungen bei Weitem nicht.
Es gibt grob gesagt drei Arten von Baumwollseilen:
1) Geflochtene Baumwollseile ohne Seele (= Füllung/Kern): dieses sind gewebte "Schläuche", die innen hohl sind. Meist in Durchmessern um die 8-12mm verkauft, da es sich "so schön flauschig anfühlt". Diese Seile haben eine sehr geringe Traglast und schnüren sich noch viel mehr ein, als Baumwollseile mit Seele.
2) Geflochtene Baumwollseile mit Seele (im Bild rechts): diese sind durchgehend gewebt und fühlen sich beim Zusammendrücken etwas härter an. Sie haben somit eine höhere Traglast und können sich weniger einschnüren. Meistens in Durchmessern um die 5-8mm im Verkauf.
3) Gedrehte/Geschlagene Baumwollseile (im Bild links): Diese sind wie Jute- oder Hanfseile gedreht aus mindestens drei verschiedenen Schäften (Litzen). Sie haben eine hohe Stabilität und fesseln sich bei Weitem besser als geflochtene/gewebte Seile. Leider sind diese nur schwer erhältlich.
Idealster Einsatz: Für reine Deko-Fesselungen und sehr leichte Fixierungen. (Auf gar keinen Fall Zugbelastung oder Hängungen damit durchführen!). Sie eignen sich ebenso für das Tragen unter der Kleidung, als gefesselte/gewebte Kleidung oder - für die ganz Extremen unter euch - zum Schlafen in Fesselungen (um Druckstellen zu vermeiden).
Kann verwechselt werden mit: Seilen aus Kunstfasern oder Baumwolle- Kunstfaser-Gemischen. Dies kann man aber leicht herausfinden: Baumwollseile glänzen nicht. Glänzt das Seil, sind Kunstfasern mit eingewebt. Im Idealfall könnte dies die Bruchlast des Seils erhöhen. Wissen tun wir das aber nicht. Ansonsten kann mit einem Feuerzeug der Test gemacht werden: schmilzt das Seil, ist Plastikfaser mit enthalten. Dieses Seil ist dann etwas rutschiger und kann etwas leichter Hautverbrennungen hervorrufen. Im Großen und Ganzen gibt es aber keinen Unterschied zwischen Baumwollseilen und Seilen aus Baumwoll- Kunstfasergemischen. Mit beiden sollte man keine starke Zugbelastund oder Hängungen durchführen.
2. Hanfseile
Beschreibung: mittelhart bis weich, wenig bis gar nicht dehnbar. Da Hanfseile von Natur aus blass-gräulich und matt sind, werden sie meist in gefärbter Form verkauft. Hanfseile sollten nicht geölt oder gewachst werden, da sie davon - im Gegensatz zu Jute - nur schleimig werden. Hanfseile werden für Bondage mittlerweile immer weniger genutzt - das hat was mit den steigenden Preisen zu tun und der geringen Nachfrage. Jedoch sind Hanfseile gerade für Anfänger:innern am Seil gute und verlässliche Arbeitswerkzeuge. Sie fusseln wenig, sind robust, leben lange und verzeihen so einiges an Fesselfehlern. Sie sind angenehm weich auf der Haut und geben ein angenehmes Tragegefühl.
Technisches: Belastbar bis 250 daN (Kg) pro Strang bei 5 mm Durchmesser.
Idealster Einsatz: Hanfseile können für alles verwendet werden. Von der Dekofesselung bis zur Hängung. Hier kann man nichts falsch machen.
Kann verwechselt werden mit: Kunsthanf. Kunsthanfseile sind typische Baumarktseile. Sie bestehen aus Flachs, Hanf- und Kunstfasergemischen und zeichnen sich durch eine hohe Bruchlast aus. Jedoch sind Kunsthanfseile alles andere als angenehm auf der Haut und können schwere Verbrennungen hervorrufen. Bitte nicht mit Kunsthanf fesseln. Zum Testen eignet sich wieder das Feuerzeug: schmilzt das Seil, hat es Plastikanteile.
Achtung auch vor Hanfseilen schlechter Qualität: Wenn das Seil nach nasser Kuhwiese riecht, ist das zwar keine qualitätmindernde Eigenschaft - jedoch macht man sich damit auch keine Freunde. Beiim Kauf unbedingt auf den Geruch achten! Weiter sollte ein qualitativ hochwertiges Hanfseil ein ebenmäßiges, einheitliches Erscheinungsbild haben. Das Seil sollte keine vorstehenden Hügel oder zu viele Spelzen (abstehende harte Fasern) aufweisen.
Alles zu Hanfseilen findest du in diesem PDF:
PDF Seilhaltung & Pflege: Hanf
3. Juteseile
Beschreibung: Juteseile sind relativ hart bis mittelweich (je nach Abnutzung), nicht dehnbar, golden in der Farbe und mit einem natürlichen Glanz versehen.
Technisches: Juteseile von 5mm Durchmesser sind EU-genormt und müssen 190 daN (Kg) Bruchlast pro Strang haben. Sie fusseln anfangs sehr stark und werden von vielen Fessler:innen daher vorher bearbeitet. Juteseile haben ab und an etwas Pflege gern; dazu gehört ggf. das Abflämmen und vor allem das einmassieren von Seilpflegeölen. Dieses gibt den Seilen Glanz und eine gute Gleitfähigkeit,. Zudem erhöht es das Tempo beim Fesseln, schützt vor Alterung, Verschleiß und rauen Fingern.
Bei sehr empfindlichen Menschen kann Jute allergische Reaktionen auf der Haut auslösen. Dies ist jedoch mehr als selten und ich selbst habe dies nur einmal in all den Jahren erlebt. Die allergische Reaktion kann sich bei neuer, uneingefesselter Jute als Hautreizung bei sensitiver Haut zeigen. Noch viel seltener soll eine Hautreaktion auf das beim Spinnen der Fasern verwendete Mineralöl (JBO) sein, welches durch den Weiterbearbeitungsvorgang nur zum Großteil, aber nie zu 100% herausgelöst werden kann.
Idealster Einsatz: Sehr gut für alle Fesselungen, Hängungen und Zugbelastungen geeignet, insbesondere für japanische Formen, Fotoshootings mit hohem technischen Anspruch und schnelle Techniken.
Mehr Informationen zu Juteseilen findest du hier:
PDF Seilhaltung & Pflege: Jute
4. Andere Materialien
Natürlich gibt es auch noch mehr Materialien, welche sich für bestimmte Fesselformen eignen. Die wichtigsten möchte ich hier kurz vorstellen:
Von links nach rechtes: Bild 1= oben Kokos, unten Sisal. Bild 2= Oben Polypropylen, mitte Poly-Baumwoll-Gemisch, unten Baumwolle. Bild 3= elastische Seile
- Seilgemische, z.B. Juteseil mit Dyneema-kern
- Weitere Naturfaserseile, z.B. Leinenseile, Manilahanf, etc.
- Kunstfaserseile, z.B. Nylon-, Dyneema, Polypropylenseile, Nachtleuchtende Seile etc.: Diese können super weich und glänzend sein. Sind jedoch nur bedingt für den Einsatz am Körper oder für Hängungen geeignet. Sie weisen teils Bruchlasten bis in den Tonnenbereich hinein auf, können auf der Haut jedoch starke Verbrennungen hervorrufen oder zu glatte Oberflächen für die gängigen Techniken haben (rutschende Knoten). Besonders im Western Style (Military-, American Bondage) werden Plastikseile sehr geschätzt.
- Raue Fasern für Sensationplay (Spiele mit Empfindungen auf der Haut) und Semenawa (jap. Foltertechniken), z.B. Kokosfaser, Reisseil, Sisalseil : Diese eignen sich nur für Bodenformen und sind nicht für jeden Geschmack geeignet.
- Andere Seile, wie z.B. Wäscheleinen, Drahtseile, Gummiseile, Kletterseile, Segelseile...Diese sind nur sehr bedingt überhaupt für Fesselungen geeignet.
Pensionsreife Seile erkennen
Selbst das beste Seil hält nicht ewig. Naturmaterialien sind sehr anfällig und somit müssen wir als Fessler:in stets den Zustand unserer Seile im Blick haben. Grundregel 1: Lieber einmal öfter wegschmeißen. Grundregel 2: Das Hauptgewicht unseres Models bei Hängungen sollte nur an einwandfreien Seilen hängen.
Woran man pensionsreife Seile erkennt:
Dieses Hanfseil hat 5 Jahre auf dem Buckel. Es wurde wöchentlich mindestens 3-10 Mal für alle möglichen Arten von Fesselungen und Hängungen benutzt sowie zwei- dreimal jährlich gereinigt. Das Seil sieht noch immer einwandfrei aus, aber die Farbe verblasst langsam. Dieses Seil kann man problemlos noch ein paar weitere Jährchen benutzen.
Anders sieht es aber bei unserem Juteseil (unten) aus: Bei diesem Seil lösen sich die Litzen (Schäfte) voneinander und einzelne Fasersträhnen stehen hervor. Das Seil hat kaum noch Eigenspannung. Hiermit sollte niemand mehr fesseln. Die beschädigte Stelle kann großzügig herausgeschnitten und die Enden anderweitigen Verwendungen zugeordnet werden. Juteseile haben bei gleicher Verwendung eine etwas kürzere Lebenszeit als Hanfseile. Das liegt an der Struktur und Beschaffenheit der Fasern.
- Das Seil ist an einer oder mehreren Stellen viel dünner (Abrieb) oder hat Risse
- Die Fasern kommen strähnendick aus den Windungen des Seils hervor
- Der Seilschlag (die Windung der einzelnen Litzen miteinander) löst sich auf
- Einzelne Litzen lösen sich vom Seil.
- Das Seil ist stark uneben und lässt sich nicht wieder begradigen
Was tun mit ausrangierten und kaputten Seilen? Ein paar Vorschläge:
- Am häufigsten ist die Mitte der Seile beschädigt. Diese kann herausgeschnitten und das ehemals 8 Meter Seil wird zu zwei kurzen 3,5 Meter Seilen gemacht.
- Die einzelnen Seillitzen (Schäfte) können voneinander getrennt werden und als 2 mm dicke Seile für Haarbondage, Fingerfesselung oder Details genommen werden.
- Seile, welche erste Alterserscheinungen aufweisen können farblich markiert werden (Zwirn, Farbe, etc.) und können dann nur noch für Bodenformen oder Deko-Bondage verwendet werden
- Zum Geschenke kreativ einpacken, Matratzen transportieren oder als Haken um sperrige Kartons von der Post abzuholen.
- Ab und an braucht man auch Seile für besonders Flüssigkeitsintensive Spiele. Hier eignen sich alte Hanf- und Juteseile - werden diese aus Versehen oder mit voller Absicht nass, so ziehen sie sich zusammen und machen es dem Träger recht unbequem. Dieser Effekt ist von einigen ganz besonders gemeinen Zeitgenossen höchst erwünscht ;-). [Bei dem Spiel mit sog. Wasser-seilen wird die fertige Fesselung mit Wasser besprüht oder die ganze Person in die Dusche gestellt. Die Seile sind danach sehr starr, nur noch super schwer aufzufesseln und noch viel schwerer aufzuschneiden. Diese Spiele bitte nur mit geübten Fesslern machen. Naturfaserseile müssen danach mind. 5 Tage unter Zug trocknen und sollten niemals mehr für Hängungen oder starke Belastungen eingesetzt werden.]